In Griechenland und Italien stehen sogenannte „Hotspots“, im Auftrag der Europäischen Union errichtet, um ankommende Flüchtlinge dort unterzubringen. Judith Gleitze berichtet aus Sizilien von den Zuständen in den fünf italienischen Lagern.
In Italien wurden seit 2015 fünf sogenannte Hotspots in Betrieb genommen: zwei davon auf Sizilien (Pozzallo seit 19.01.2016 mit 300 Plätzen, Trapani seit 22.12.2015 mit 400 Plätzen), einer auf der Insel Lampedusa (seit 01.10.2015 mit 500 Plätzen) und einer in Apulien (Tarent seit 29.02.2016 mit 400 Plätzen). Im Oktober 2017 wurde in Messina ein CPSA, ein Zentrum für die allererste Aufnahme, mit faktischer Hotspotfunktion eröffnet.
Das Ziel dieser Zentren gemäß der EU-Kommission in der „Europäischen Agenda für Migration“ „den Mitgliedstaaten, die überproportionalem Migrationsdruck an den EU-Außengrenzen ausgesetzt sind, zu helfen.“ De facto werden ankommende Flüchtlinge dort sofort in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“, jene, denen auf den ersten Blick kein Schutzstatus zugesprochen wird, sollen dann möglichst schnell von den „Hotspots“ aus abgeschoben oder in eine Abschiebungshaft gebracht werden.
Eingeführt, um schneller abzuschieben
Die Hotspots wurden ohne gesetzliche Regelung im Zusammenhang mit der vom italienischen Innenministerium erstellten Road Map 2015 eingeführt. Die Road Map und die „Standard Operation Procedures“ legen die Funktion und Arbeitsweise der Hotspots fest, sind aber kein rechtlich wirksames Dokument.
Anwesend für die Identifizierung einer Person sind die italienische Polizei, die polizeilichen Mediator*innen, EASO (European Asylum Support Office), Frontex und Europol, unterstützt vom UNHCR. In der Theorie soll der Aufenthalt der Migrant*innen in einem Hotspot 24-48 Stunden betragen und kann maximal auf 72 Stunden ausgeweitet werden. In der Praxis dauert die Durchführung der vorgesehenen Vorgänge aber um einiges länger, sodass es auch Fälle mit einer Aufenthaltsdauer von einem Monat und mehr gab.
Menschenrechtsverletzungen sind keine Seltenheit
Immer wieder werden Fälle von willkürlichen Inhaftierungen, Massenabschiebungen und der Verletzung des Rechts auf Asyl bekannt. Dabei werden die Ankommenden oftmals nicht nur unzureichend oder gar nicht über ihre Rechte aufgeklärt, sondern ihnen wird auch aktiv die Möglichkeit verwehrt, einen Asylantrag zu stellen. Von diesen menschenrechtsverletzenden Vorgehensweisen sind vor allem Nordafrikaner*innen betroffen. Italien verletzt dabei immer wieder nationale und internationale Normen.
Im Dezember 2015 wurde Italien dafür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu einer Entschädigungszahlung an drei Tunesier verurteilt, die unrechtmäßig auf Lampedusa festgehalten worden waren. Diese wurden nie über die Gründe ihrer Haft aufgeklärt, noch wurde ihnen die Möglichkeit gegeben, in Berufung zu gehen. Ein Hauch von Gerechtigkeit für drei unter vielen.
Hotspot Lampedusa
Das Zentrum wurde im September 2015 von einem Erstaufnahmezentrum zu einem „Hotspot“ umgewandelt. Es war der erste Hotspot europaweit, dicht gefolgt vom griechischen Hotspot auf der Insel Lesbos, der Ende Oktober eröffnet wurde. Aufgrund eines Brandes und Berichten einer Delegation von Anwält*innen, Wissenschaftler*innen und Kulturvermittler*innen über die unzureichenden Bedingungen, unter denen die Migrant*innen lebten, wurde Lampedusa im Frühjahr dieses Jahres auf knapp 100 Plätze reduziert.
Die WCs haben keine Türen, in den Zimmern schlafen bis zu 36 Personen, warmes Wasser gibt es nur eine Stunde täglich.
Angeklagt wurde, dass es keine Kantine gibt, die WCs keine Türen haben, die Matratzen oftmals gebraucht und schmutzig sind. In den Zimmern müssen bis zu 36 Personen schlafen, Männer und Frauen nicht getrennt. Warmes Wasser steht nur eine Stunde am Tag zur Verfügung, während das fließende Wasser von 21 bis 7 Uhr abgestellt wird. Es kommt häufig zu Überschwemmungen, viele müssen mit Lagern im Hof oder den Büros vorlieb nehmen. Asylanträge können nicht gestellt werden.
Die Identifizierungsverfahren und das Verlegen gehen laut Pietro Bartolo, dem Arzt der Insel, langsam voran. So äußerte er im September gegenüber der Tageszeitung La Republicca: “Das Schiff [die Fähre, die Lampedusa mit Sizilien verbindet, Anm. der Autorin] kann maximal 30 Personen an Bord nehmen, und in der Zwischenzeit werden weitere Landungen erfolgen. In der letzten Woche sind etwa 200 Menschen auf der Insel angekommen.“
In manchen Fällen steht ein Flugzeug zur Repatriierung bereit, in anderen erhalten die Betroffenen ein „foglio di via“ (Bescheid über Aufforderung zum Verlassen des Landes auf eigene Kosten). Letztere werden mit der Fähre nach Sizilien gebracht und dort entweder einfach auf die Straße gesetzt , worauf sie dann meist in der Irregularität verschwinden, oder aber in den ehemaligen Hotspot von Trapani gebracht.
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Ehemaliger Hotspot Trapani – CPR (Abschiebungshaft)
Seit dem 1.Oktober 2018 ist der Hotspot Trapani wieder in eine Abschiebungshaft umgewandelt worden – zu diesem Zwecke wurde das Gebäude ursprünglich gebaut. Dementsprechend ist es in von hohen Zäunen umgebene Sektoren geteilt, die eine Kommunikation untereinander unterbindet. Matratzen liegen auf gemauerten Betten, es gibt kein weiteres Mobiliar, ein Verlassen der Anlage ist nicht möglich. Die Identifizierung der ankommenden Migranten ist weiterhin dem dortigen Personal überlassen. Laut Aussage der Leiterin können 400 Personen in ca. 72 Stunden den Identifikationsmaßnahmen unterzogen werden. Die dortigen 400 Plätze sind nun meist von tunesischen Migranten besetzt, die auf ihre Zurückschiebung nach Tunis warten. Unklar ist, was mit dem Personal der Organisationen Frontex und Easo passieren soll, die dort für den Hotspot stationiert waren. Sie übernehmen derzeit ab und zu die Identifizierung der ankommenden Migranten, werden jedoch sicher über kurz oder lang versetzt werden.
Hotspot Pozzallo
Am Hotspot Pozzallo wurde viel Kritik geübt. Oftmals kam es zu langen Aufenthaltszeiten in einem Gebäude, das dafür nicht geeignet ist, so die Organisation MEDU (Ärzte für Menschenrechte). Laut Bericht des Staatsbeauftragten für die Rechte der Inhaftierten und einem Bericht von Amnesty International fehlen Gemeinschaftsräume, in denen zusammen Zeit verbracht werden kann, sowie einfache Tische zum Essen. Die Unterbringung in einem sehr großen Schlafsaal sei unwürdig, es würden oftmals zu viele unbegleitete Minderjährige zu lange hier festgehalten. Der Platz für sie genüge nicht, oftmals warte man einfach, dass sie 18 Jahre alt werden, um sie dann einfach sonst wohin zu verlegen.
Nach der Schließung der Häfen im Juni 2018 kamen jedoch nur noch wenige Geflüchtete in Pozzallo an. Der Bürgermeister beklagt, dass seit Juli 2018 immer noch über 50 Geflüchtete aus Eritrea und Somalia darauf warten, in andere europäische Staaten verlegt zu werden. Aus dem Hotspot ist ein Aufnahmezentrum geworden, was auch die Arbeit der Psycholog*innen verändert: der lange Aufenthalt und die Unsicherheit führt zu massiven Stresssituationen, so MEDU.
CPSA Messina
In Messina wurde am 30.September 2017 ein CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza: Erstaufnahmezentrum) mit faktischer Hotspot-Funktion in der ehemaligen Kaserne Gasparro (Ex-Gasparro) eröffnet. Geleitet wird das Zentrum von der Kooperative Badia Grande, die auch den Hotspot/Abschiebungshaft in Trapani betreibt. Vor der Einführung eines Hotspots gab es bereits Bedenken bezüglich der Strukturen der Ex-Gasparro. Duschen und Toiletten befinden sich extern in Containern und als Unterkunft dienen nur drei große Räume mit aneinander gereihten Stockbetten, massive Überschwemmungen des Geländes sind von Herbst bis Frühjahr an der Tagesordnung.
Nach Berichten diverser Parlamentarier*innen, Journalist*innen und NGOs ist die Ex-Gasparro eine der am schlechtesten geeigneten Strukturen, um Migrant*innen angemessen aufzunehmen. Es handele sich um ein Lager, das alle Voraussetzungen zu Überfüllung und Bedenklichkeit bietet.
Die dort Aufgegriffenen werden ohne Kleidung oder sonstige Habseligkeiten und oftmals krank einfach in vom Innenministerium gemietete private Busse gesetzt und in den Süden zurückbefördert.
Hotspot Taranto
Das Zeltlager am Hafen von Taranto wurde nach mehrfachen Beschwerden über die mangelnden Standards am 19. März 2018 geschlossen. Es gab nur sehr mangelhafte sanitäre Anlagen, weder eine Krankenstation noch beheizbare Räume. Daher sollten Renovierungsarbeiten durchgeführt werden. Im September besuchte eine Delegation aus Vereinen und Politikern gemeinsam mit Mitarbeiter*innen der Präfektur das Zentrum. Hier stellte sich heraus, dass der Hotspot wider Erwarten seit Juli erneut geöffnet ist, dies dem zuständigen Beigeordneten für Soziales – die Kommune leitet den Hotspot – aber nicht bekannt war!
Da es seit der Hafenschließung Salvinis nur noch wenige Ankünfte gibt wird der Hotspot nun als Auffanglager für die von der französischen Grenze in Ventimiglia deportierten Migrant*innen genutzt. Die dort Aufgegriffenen werden ohne Kleidung oder sonstige Habseligkeiten und oftmals krank einfach in vom Innenministerium gemietete private Busse gesetzt und in den Süden zurückbefördert. Vereine fordern die Schließung des Hotspots, der die meiste Zeit, sollten nicht gerade Geflüchtete von der französischen Grenze ankommen, leer steht, aber voll finanziert wird.
Judith Gleitze, borderline-europe
Mehr Informationen zu Hotspots und Zentren in Italien: