Folter, Vergewaltigungen, ja sogar Sklaverei – das sind die Zustände, in denen viele Geflüchtete in libyschen Lagern festgehalten werden. Wie viele es genau sind, weiß man nicht – aber ihre Zahl steigt, seit die sogenannte libysche Küstenwache Flüchtlingsboote im europäischen Auftrag abfängt und die Menschen nach Libyen zurückbringt.
Jemand, der vom Meer nach Libyen zurückgebracht wurde, kann schnell wieder in den Klauen von Menschenhändlern landen, und die Folter beginnt von neuem.
Dort landen die Geflüchteten häufig wieder in einem jener Elendslager, aus denen sie doch gerade erst – meist nur, indem sie sich freikauften – entkommen waren. »Wir erleben […], dass Kinder, die auf abgefangenen Booten waren, in Haftlager gebracht werden. […] Im Grunde kann alles passieren. Jemand, der vom Meer nach Libyen zurückgebracht wurde, kann sehr schnell wieder in den Klauen von Menschenhändlern landen, und die Folter beginnt von neuem«, sagt dazu der Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen, Christoph Biteau, im Interview.
Er konstatiert auch: »Die Unterscheidung zwischen offiziellen und illegalen Netzwerken ist auch nicht immer so klar« – eine Einschätzung, die Hanan Salah für Human Rights Watch vor Ort war, bestätigt.
Das sind offizielle Gefangenenlager, die unter Kontrolle des Innenministeriums der Regierung der Nationalen Einheit in Tripolis stehen.
Europa kennt die Zustände…
»Die meisten Menschen, die wir in den Gefängnissen trafen, haben versucht, mit dem Boot nach Europa zu kommen, einige von ihnen mehrfach. Sie haben zuvor oft viele Monate in den Lagern der Schlepper verbracht, wurden dann auf dem Mittelmeer von der libyschen Küstenwache gestoppt und an Land zurückgebracht – wo sie jetzt unter schrecklichen Bedingungen in Internierungslagern festsitzen. Das sind offizielle Gefangenenlager, die unter Kontrolle des Innenministeriums der Regierung der Nationalen Einheit in Tripolis stehen. Das ist die von den Vereinten Nationen eingesetzte und von der EU unterstützte Regierung […]«
Die verantwortlichen Politiker*innen sind sich über diese Zustände bewusst. Das zeigen nicht nur die vielen Berichte von UN-Organisationen (»The situation of migrants in Libya is a human rights crisis.«)sondern auch Aussagen vom luxemburgischen Premier Asselborn (»Menschen werden dort vergewaltigt, es gilt kein Recht«) oder einem Dokument des Auswärtigen Amtes (»Authentische Handy-Fotos und -videos belegen die KZ-ähnlichen Verhältnisse in den sogenannten Privatgefängnissen«).
…aber führt die „Kooperation“ fort
Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen – allein: Auch dieses Bewusstsein ändert nichts daran, dass man sich in Europa offenbar dazu entschieden hat, das alles in Kauf zu nehmen, wenn Libyen bloß dabei hilft, die Ankunftszahlen von Flüchtlingen übers Mittelmeer zu begrenzen. Dafür wird nicht nur die sogenannte »Einheitsregierung« im Bürgerkriegsland unterstützt, sondern auch die »libysche Küstenwache« finanziell, technisch und personell aufgerüstet. Aus der Bundesregierung heißt es dazu, dass menschenrechtliche Standards »eben nicht von heute auf morgen« gewährleistet werden könnten, da es nun einmal »keine funktionierende Staatlichkeit« gebe. Diese Erkenntnis hindert sie allerdings nicht an einer Fortführung der Kooperation.
#NichtMeineLager
Gib jetzt dein Statement ab!
Es braucht einen Richtungswechsel!
Und damit nicht genug: Damit die »libysche Küstenwache« ihre, oft als brutal kritisierten, Einsätze ungestört fortführen kann, werden zivile Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer gezielt kriminalisiert und an ihrer Arbeit gehindert. Dadurch steigt nicht nur die Todesrate, es kann auch niemand mehr genau sagen, wie viele Menschen wieder zurück nach Libyen geschleppt werden.
Lager, in denen schlimmste Zustände herrschen, über die die Verantwortlichen in der Europäischen Union genau Bescheid wissen.
In jedem Fall sind es zehntausende, die dort in Lagern festsitzen. Lager, in denen schlimmste Zustände herrschen, über die die Verantwortlichen in der Europäischen Union genau Bescheid wissen. Die sie aber mit ihrer Politik zumindest indirekt unterstützen. Und genau deswegen müssen auch wir Europäer*innen klar Position beziehen und unsere Regierungen zu einem Richtungswechsel auffordern!